Occupy Wallstreet, Gaucks Senf dazu – und mein Erbrochenes.

Ich wollte mich ja eigentlich nicht zu diesem Thema äußern, weil mich polarisierende politische Diskussionen mittlerweile nerven. Fast so sehr wie die Politiker, die sich – ohne Rücksicht darauf, ob sie gefragt wurden – nach vorne drängen um sich zu äußern.

Und nun auch noch Gauck. Für die BILD-Leser Jüngeren unter uns: Das ist der Mann, der vor allem bei der Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit große Verdienste hat und sich später zunächst von schwarz, dann von rot-grün hat vor den Karren spannen lassen.

Nicht, dass ich seine Verdienste nicht anerkennen würde. Aber schon beim Wahlkampf um das Amt des Bundespräsidenten ist mir ein wenig übel aufgestoßen, dass ihm – meiner ganz persönlichen Meinung nach – mehr Weisheit zugeschrieben wurde als gerechtfertigt ist. Er ist ein Mensch mit Werten und Charakter – davor habe ich Hochachtung. Aber er ist für mich kein weltpolitischer Stratege. Und ich habe immer noch den – möglicherweise naiven – Anspruch, dass große Politiker Vollprofis wie Helmut Schmidt sein sollten. Und den sehe ich in ihm nicht ansatzweise.

Daher frage ich mich auch, aufgrund welcher finanzpolitischen Erfahrung er sich zu den aktuellen Protesten äußern möchte – und was wir hier von seinen Erfahrungen aus der DDR lernen können?

In Anspielung auf die DDR erklärte er: „Ich habe in einem Land gelebt, in dem die Banken besetzt waren.“ Es sei zu bezweifeln, dass die Bankeinlagen sicherer wären, wenn die Politiker in der Finanzwirtschaft das Sagen hätten.

Wenn er etwas zur Sache beitragen möchte, dann soll er lieber zu den Ursachen dieser Bewegung Stellung nehmen, auf die Nico Lumma heute hingewiesen hat. Die in seinem Beitrag verlinkte Infografik der NY Times zeigt meines Erachtens hervorragend auf, was ich persönlich für eine sehr große gesellschaftliche Gefahr halte: Die seit den 80ern immer weiter klaffende Schere zwischen der Entwicklung von Produktivität und Lohn.

Ich bin mir sicher: wenn man das Thema nicht angeht und löst, wird es eines Tages – sorry für den Ausdruck – wieder richtig was auf die Fresse geben. Weltweit, hier vielleicht etwas später, weil es uns verhältnismäßig gut geht. Aber sozialer Unfrieden mit extremen Szenarien wie zur französischen Revolution sind keine Spukgeschichten aus der Vergangenheit – sie sind jederzeit wieder möglich, wenn die zwischenzeitlich erreichten Prinzipien sozialer Ausgewogenheit bedenkenlos über den Haufen geworden werden. Und dann nützt dem Großbanker auch sein Panzerwagen nix mehr.

Michael Fehr

Ne echte Nüsser Jong (Baujahr 1972), den es nach einem mehrjährigen Gastspiel in Düsseldorf wieder zurück an den wunderschönen linken Niederrhein nach "Kleenebrook" zog. Verheiratet, 2 Kids. Geek by nature. Über diese Seite bringe ich die Beiträge meines Blogs ins Fediverse. Du kannst ihnen dort folgen und gerne auch kommentieren. Die Kommentare erscheinen nach Freischaltung dann auf meiner Website. Wenn Du mir als Person im Fediverse folgen willst, findest du mich unter @fehrnetzt@nrw.social

2 Antworten

  1. Anonym sagt:

    Hi Micha,

    spannend dazu fand ich folgende Äußerungen bei Maybrit Illner von "Mr. Dax" und Ulrich Wickert:
    http://www.zdf.de/ZDFmediathek/hauptnavigation/startseite/#/beitrag/video/1465722/Wer-rettet-den-Steuerzahler
    Die letzten 5min…
    unwillig verlinke ich da jetzt auch noch zur Linken, da ich eine passende Grafik auf die Schnelle nicht woanders gefunden habe:
    http://www.dielinke-kreis-recklinghausen.de/uploads/pics/Einkommen_D.jpg
    Insbesondere ist das interessant wo aus NeoLiberalen Kreisen im Moment wieder gelitten wird, dass die Armen Reichen eh schon den größten Teil des steuerlichen Aufkommens tragen(und dabei die Einschränkung auf die Einkommensteuer unterschlagen).

    Grüße,
    Sascha

  2. Michael Fehr sagt:

    Danke Sascha, sehenswert!

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